Gelbe Schafsnase, Kanadarenette, Kaiser Wilhelm, Hausmütterchen, Geheimrat Dr. Oldenburg – so heißen einige Apfelsorten, die einst in unserer Region angebaut wurde. Mehr als 30 Sorten birgt allein das historische Apfelsortiment, das der Ingelheimer „Arbeitskreis Alte Obstsorten“ zusammengetragen hat – und wieder heimisch machen will.
„Unsere alten Sorten sind kulturelle Erzeugnisse“, weiß Dr. Jörg Schmidt. Der Vorsitzende des Arbeitskreises erinnert zur Eröffnung der Ausstellung „Alte Obstsorten in Rheinhessen – vergessene Vielfalt“ in der Ingelheimer Rathausgalerie an die unzähligen Obstfelder, die bis ins vergangene Jahrhundert Ingelheim umgaben.
Die alten Sorten wieder zurückholen und die Menschen für das äußerst wohlschmeckende Obst zu sensibilisieren, ist das erklärte Ziel der aktuellen Ausstellung (noch bis zum 23. März 2017 zu sehen), in der der Arbeitskreis auf rund 50 Plakaten alte Obstsorten vorstellt. Grundlage für die Präsentation ist das 1907 erschienene Buch „Der Obstbau in Wort und Bild mit besonderer Berücksichtigung der im rheinhessischen Obstsortiment empfohlenen Obstsorten“ des Landwirtschaftlichen Vereins für die Provinz Rheinhessen.

Mit der Eisenbahn boomte der Obstanbau
Apfel, Sauerkirsche, Zwetsche, Süßkirsche, Mirabelle, Birne, Strauchbeere, Erdbeere – die Liste der früher in Rheinhessen angebauten Obstsorten war lang. Begünstigt durch das milde Klima waren viele Obstsorten schon seit Jahrhunderten in Rheinhessen heimisch, aber erst der Eisenbahnbau in der Mitte des 19. Jahrhunderts machte aus der Region zwischen Mainz und Bingen ein aufstrebendes Obstanbaugebiet. Die Eisenbahn brachte ungeahnte Transport- und Absatzmöglichkeiten für Obst und Gemüse. Die Nachfrage – insbesondere nach Spargel und Kirschen – stieg sprunghaft an. Die Landwirte reagierten darauf: Überall blühte es in den Obstplantagen. Vielen Nebenerwerbsbauern bescherte das Obst-Geschäft ein gutes wirtschaftliches Zubrot. Obst- und Gartenbauvereine gründeten sich, neue Markthallen wurden gebaut.
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Leider sorgten sinkende Preise in der vergangenen Jahrzehnten für einen Rückgang des rheinhessischen Obstgeschäftes. Immer mehr Obstfelder werden aufgegeben und nicht mehr bewirtschaftet.

Arbeitskreis engagiert sich für den Erhalt alter Obstsorten
In Zeiten schwindener Vielfalt hat es sich der zur „Naturschutzgruppe Ingelheim und Umgebung“ (NSGI) gehörende „Arbeitskreis Alte Obstsorten“ zur Aufgabe gemacht, vergessene Regionalsorten wiederzubeleben. So ruft er alljährlich einen Obstsorte des Jahres aus. 2017 wurde der Weißapfel zum „Obst des Jahres“ gekürt. Der Weißapfel ist ein schmackhafter, lagerfähiger Apfel. „Leider sind uns nur noch wenige Weißapfelbäume bekannt“, so Schmidt. Er appelliert an Gartenbesitzer, diese historische Sorte anzupflanzen. Auf Initiative des Arbeitskreises hin gibt es derzeit wieder Weißapfelbäumchen bei regionalen Baumschulen zu kaufen.