In Zeiten von Smartphones und nahezu umfassender Digitalisierung kommt einem ein Rückblick auf die Anfänge modernder Übertragungstechniken vielleicht antiquiert vor, kann aber auch schon staunen machen.
Wie wäre es damit: Im Jahre 1794 wurde eine Nachricht von Lille nach Paris in nur zwei Minuten übermittelt. Wie das? Nun, mit Hilfe der optisch-mechanischen Telegrafie konnte man schon Ende des 18. Jahrhunderts eine Strecke von 225 Kilometern in nur so kurzer Zeit überwinden.

Historie der Nachrichtenübermittlung
Nachrichtenübermittlung mittels optischer Signale in Form von Rauch- oder Feuerzeichen ist schon seit der Antike bekannt. Aber mit der Entwicklung des Fernglases sollte der optischen Telegrafie der wirkliche Durchbruch gelingen. Anfängliche Versuche mit beschriebenen Tafeln konnten sich nicht durchsetzen, erst die Idee der Chappe-Brüder verhalf der Telegrafie zum Durchbruch: Zeichenübermittlung mit schwenkbaren Signalarmen, auch Flügeltelegraf oder Semarphor genannt.

Optischer Telegraf aus der Chappe-Schmiede
Die Franzosen waren die Vorreiter in Sachen optisch-mechanischer Telegrafie dank der Brüder Chappe. Der französische Techniker und Geistliche Claude Chappe und seine Brüder Abraham und Ignace konstruierten in den 1790igern eine als Schnellschreiber bezeichnete Konstruktion, die es erlaubte, über weite Strecken codierte Nachrichten schnell zu übermitteln.
Militär und Wirtschaft erkannten den Nutzen der schnellen Informationsweiterleitung – und so begann der Siegeszug des Chappeschen Telegrafen in Frankreich. Von Paris bis Lille reichte die erste Telegrafenstrecke, die 1793/94 gebaut wurde.

2014 wurde eine Telegrafenstation nachgebaut: der Napoleonsturm bei Sprendlingen.
2014 wurde eine Telegrafenstation nachgebaut: der Napoleonsturm bei Sprendlingen.

Wie funktionieren die Chappe-Telegrafen?
Telegrafentürme im Abstand von rund 10 Kilometern
schwenkbare Signalarme: hoher Mast mit 2 schwenkbaren Querbalken, 2 weitere schwenkbare Balken an jedem Ende
je nach Position der schwenkbaren Balken werden unterschiedliche Zeichen übermittelt
jede Station ist mit 2 Telegrafisten besetzt, die mit dem Fernglas die Zeichen der benachbarten Stationen ablesen

Das Balken-System
Robust und leicht zu bedienen, das waren die Vorteile des Chappeschen Balkensystems, das mit 196 verschiedenen Zeichen aufwarten konnte, resultierend aus den 7 verschiedene Stellungen und jeweils 2 Stellungen der beiden Querbalken (7 × 2 × 7 × 2 ).

Telegrafenlinie Metz – Mainz
Die optischen Telegrafen nach dem Prinzip Chappe wurde bis zum Aufkommen der elektrischen Telegrafie in der Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa zur Nachrichtenübermittlung eingesetzt.
Die erste Telegrafenlinie auf deutschem Boden wurde 1813 eingeweiht. Sie führte mit insgesamt 22 Telegrafenstellen von Metz bis nach Mainz, darunter auch die Höhe „Hungriger Wolf“ bei Bad Kreuznach, die Napoleonshöhe bei Sprendlingen/Ober-Hilbersheim, der Windhäuser Hof bei Schwabenheim und die Stephanskirche in Mainz.

Napoleonsturm bei Sprendlingen
Euin Stück Geschichte hat man 2014 mit dem Napoleonsturm bei Sprendlingen wieder lebendig werden lassen. Als technisches Denkmal erinnert der nachgebaute Napoleonsturm an die Telegrafenlinie Metz – Mainz. Die beiden feststehenden Signalarme auf der Aussichtsplattform zeigen auf die beiden nächsten Telegrafenstationen „Hungriger Wolf‘ bei Bad Kreuznach (Richtung Metz) und „Windhäuser Hof‘ bei Schwabenhein/Selz (Richtung Mainz).