Frauen und Sport – heute eine Selbstverständlichkeit! Doch die ersten Turnerinnen hatten es unglaublich schwer. Sie mussten sich die Aufnahme in die örtlichen Turnvereinen schwer erkämpfen. In Rheinhessen war die Mainzer Turngesellschaft 1860 der Vorreiter. Ende des 19. Jahrhunderts fanden sich dort die ersten turnbegeisterten Frauen in ihren Reihen. Im Mainzer Turnverein von 1817 konnten Frauen im Jahre 1894 die Gründung einer Damen-Turnabteilung durchsetzen – und 1904 wurde in Mainz ein eigener Damen-Turn- und Sportclub und der Leitung von Emilie Meyer-Zeiss und Emma Nägeli aus der Taufe gehoben.
Das machte Schule. In der Turngemeinde Nieder-Ingelheim wurde im Sommer 1911 die erste Damenriege gegründet. Das war sogar dem Ingelheimer Anzeiger in seiner Ausgabe vom 1. August 1911 ein Artikel wert. Wenige Monate später fanden sich junge Frauen in der TuS 1848 Ober-Ingelheim zu einer Damenriege zusammen, kritisch von ihren männlichen Vereinsmitgliedern beäugt. So ist in der Vereinschronik der TuS dazu vermerkt: „Die Damen sind willig und aufmerksam, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Riege in ganz kurzer Zeit schon öffentlich auftreten kann.“
Wider Kurzatmigkeit und Haltungsschäden
Beim Frauenturnen galt es, gesellschaftliche Normen zu überwinden. Zwar hatte man den gesundheitlichen Aspekt des Turnens für Frauen erkannt, aber Angst um deren Anmut, Sanftheit und Sittsamkeit war . Dazu bemerkte Dr. Moritz Kloss, Direktor der Sächsischen Turnlehrerbildungsanstalt in Dresden:
„Turnen soll die körperliche Gesundheit fördern, damit unsere Mädchen nicht zu schwächlichen Hausfrauen, zu verstimmten Gattinnen und zu kränklichen Müttern werden.“
Zudem mussten Frauen, um ihre Sittlichkeit nicht zu gefährden, geschnürt und in langen Kleidern turnen. Die Devise war: „Kopf oben, Beine unten und geschlossen.“ So angezogen waren die meisten turnerischen Bewegungen unmöglich und die Frauen beschränkten sich anfangs auf einfache und freie Bewegungen wie Freiübungen, Reigen, Stab- oder Spielübungen. Dabei stand stets der Gesundheitsaspekt der Bewegung im Vordergrund – die Übungen der Frauen waren noch nicht so leistungs- und kraftorientiert wie die der turnenden Männer.
Der Kampf um die Pumphose
Erst mit den gesellschaftlichen Veränderungen Ende des 19. Jahrhunderts und der fortschreitenden Industrialisierung und Urbanisierung konnte das Frauenturnen endgültig Fuß fassen. Verschiedene Strömungen wie die der Wandervögel oder der Gymnastikbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollten zu einer Befreiung des weiblichen Körpers führen. Es entbrannte ein Kampf um die Turnhose, denn nur die ermöglichte die nötige Bewegungsfreiheit für turnerische Übungen. Erst als Sportfunktionäre und Gesellschaft die Turnhose nicht mehr nur als Tracht der Emanzipation sahen und lockere Kleider, Pumphosen und flache Schuhe gesellschaftlich akzeptierten, konnten sich die Frauen turnerisch vollends betätigen.