An mehr als 1200 Orten hat Gunther Demnig bisher Stolpersteine verlegt. Damit leistet der Kölner Künstler einen Beitrag dazu, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten. Auch in Gau-Algesheim hat er bereits Gedenksteine verlegt, die an Menschen erinnern, die wegen ihres Glaubens deportiert und ermordet wurden. Nun kommen weitere Steine dazu.
Vier Messingplatten rufen das Schicksal der Familie Möbius in Erinnerung. Sie liegen vor dem Eingang der Laurenzikirche, in deren Innern sich seit 1986 eine Gedenkstätte für Opfer des Nationalsozialismus befindet, und wo auch der Familie Möbius ein Platz gewidmet ist.

Erinnerung an das Schicksal der Familie Möbius
Zahlreiche Gau-Algesheimer nahmen an der Veranstaltung am Dienstagmorgen teil, darunter auch Schülerinnen und Schüler der Christian-Erbach-Realschule plus, die mit ihren Lehrerinnen zu Fuß auf den Laurenziberg gekommen waren. Ihre ehemaligen Mitschüler waren es, die vor zwei Jahren den Stein ins Rollen brachten. Im Rahmen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten war die damalige 9c auf Spurensuche gegangen. Eine Integrationsklasse, in der Kinder mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam lernen, und die sich deshalb besonders intensiv mit dem Schicksal von Adolf und Emma Möbius beschäftigte. Die beiden Geschwister waren 1939 an Kinderlähmung erkrankt, wurden 1942 in die „Landespflegeanstalt Eichberg“ gebracht und dort ermordet. Adolf wurde nur neun, Emma gerade mal acht Jahre alt.
Vater Richard Möbius machte aus seiner Empörung über die Wegnahme seiner Kinder keinen Hehl, wurde denunziert, verhaftet und ins KZ Buchenwald gebracht, wo er 1945 starb. Den vierten Stolperstein verlegte Gunter Demnig für Frieda, eine weitere Tochter von Richard Möbius. Das Mädchen litt seit einem Sturz im Kleinkindalter an Krampanfällen und wurde 1931 in ein Heim in Nieder-Ramstadt eingewiesen. Mit 14 Jahren starb Frieda auf dem Transport in die „Heil- und Pflegeanstalt Heppenheim“.

Gedenkstätte in der Laurenzikapelle
Die Familie Möbius wohnte im ehemaligen Küsterhaus der Laurenzikirche. Genau an der Stelle, wo das Haus bis 1968 stand, fand die Gedenkveranstaltung statt. Das Schicksal der Familie stehe stellvertretend für das Schicksal vieler Menschen in der Nazi-Zeit, betonte Dekan Henning Priesel. In der „Landespflegeanstalt Eichberg“ seien die Menschen durch Unterernährung oder durch Gift getötet worden. Der verantwortliche Arzt hingegen habe nach dem Krieg unbehelligt noch 25 Jahre in Wiesbaden praktizieren können, sprach Priesel ein weiteres dunkles Kapitel an, mit dem sich auch die Carl-Brilmayer-Gesellschaft beschäftigt hat. Der Verein, der die Geschichte des Gau-Algesheimer Raums erforscht, hat in seiner Schrift über die Gedenkstätte in der Laurenzikirche den Tätern ein eigenes Kapitel gewidmet.