Die Gau-Algesheimer sind in Feierlaune – und sie haben alles Grund dazu. Schließlich feiert das Städtchen in diesem Jahr seinen 1250. Geburtstag. Auf den 22. November 766 datiert ist die Urkunde des Klosters Lorsch, in der erstmals das Dorf Alagastesheim erwähnt wird. Im „Codex laureshamensis“, dem Urkundenregister des Klosters Lorsch, ist dokumentiert, dass Nather und Hiltrud aus Alagastesheim an diesem Tag dem Kloster Lorsch eine Manse (20 Morgen) Ackerland schenkten.

Alagast gab dem Städtchen seinen Namen
Namensgeber der Stadt Gau-Algesheim war ein Franke namens Alagast. Die Franken siedelten ab der Mitte des 5. Jahrhunderts in Rheinhessen. Sie kamen vom Niederrhein und verdrängten die einst hier ansässigen Alemannen. Alagast war vermutlich ein Groß- und Edelbauer und gehörte dem fränkischen Adel an. Mit seinen Knechten und deren Familien ließ er sich im Welzbachtal, nahe der alten Römerstraße, nieder.
Die fränkischen Siedlungen waren große Höfe, um die herum die Knechte siedelten. Die Knechte waren Leibeigene und verrichteten Feldarbeit und häusliche Arbeiten auf dem Hof. Ihre Katen bildeten Weiler, die häufig nach dem Herrn des Hofes benannt waren. So gab mit großer Wahrscheinlichkeit der Franken namens Alagast dem hiesigen Weiler seinen Namen. Daran hängten die Franken die Endung „-heim“, das im fränkischen Sprachgebrauch für das Wort „Heimat“ oder „Haus“ steht.
Neben „Alagastesheim“ finden sich in mittelalterlichen Urkunden auch die Namen „Alginsheim“, „Alengreheim“, „Algisheim“, „Algiesheim“ und „Algeshenm“.

Doppelt hält besser: Gau-Algesheim werden gleich zweimal die Stadtrechte verliehen
Im Jahre 983 schenkte Kaiser Otto II. das Umland Bingen, dazu zählte auch Gau-Algesheim, dem Mainzer Erzbischof Willigis. Damit kam Gau-Algesheim auch in weltlicher Verwaltung an das Erzstift Mainz, dem es zuvor schon in kirchlicher Beziehung angehörte. Rund 800 Jahre soll die Herrschaft der Mainzer Erzbischöfe über Gau-Algesheim währen.
Im 13. und 14. Jahrhundert hatte das linksrheinische Gebiet häufig unter kriegerischen Auseinandersetzungen zu leiden. Brandschatzungen und marodierende Soldaten fiel bisweilen das gesamte Habe zum Opfer. Von diesen kriegerischen Umtrieben blieb auch Gau-Algesheim nicht verschont. Vielleicht baten seine Einwohner selbst um Schutz – vielleicht standen die politischen Interessen des Territorialherrn, des Mainzer Kurfürsten, im Vordergrund. Er jedenfalls war an einer Befestigung Gau-Algesheims interessiert, denn die Besitzungen des Erzbistums Trier um Eltville und Bingen grenzten direkt an die Gau-Algesheimer Gemarkung.
So wurde Gau-Algesheim gleich zwei Mal in einem Abstand von 23 Jahren die Stadtrechte zugestanden: Am 23. August 1332 verlieh Kaiser Ludwig der Bayer dem Ort Algesheim die Stadtrechte und damit ein Recht auf Ummauerung und einen Wochenmarkt. Am 11. Februar 1355 erneuerte Kaiser Karl IV. die Stadtrechte. In der Urkunde ist zu lesen: „König Karl IV. gestattet dem Erzbischof und dem Stifte zu Mainz, das Dorf Algesheim mit Mauern, Gräben und durch andere Befestigungen zu schützen. Zugleich erhebt er dasselbe zu einer Stadt und erteilt ihm dieselben Freiheiten wie der befestigten Stadt Frankfurt.“

Eine Stadt mit dörflichem Flair
Mit der Verleihung der Stadtrechten wandelte sich das Leben in Gau-Algesheim. Das Privileg eines Wochen- und Weinmarktes lockte Kaufleute und Handwerker in das kleine Städtchen. In Urkunden ist vom Zuzug von Menschen aus dem Umland und aus dem Rheingau zu lesen. Neben Landwirten und Weinbauern siedelten sich Handwerker in Gau-Algesheim an: Küfer, Schröder, Schneider, Schmiede, Bäcker, Zimmerleute und Krämer werden ab der Mitte des 14. Jahrhunderts genannt. Das städtisches Leben etablierte sich. Die Einwohner nannten sich nun Bürger. Doch die neuen Freiheiten hatten auch ihren Preis. Zwar gab es fortan keine Leibeigenschaft mehr (Stadtluft machte bekanntlich frei), aber dafür kamen auf die frischgebackenen Bürger andere Aufgaben zu. Eine Stadtmauer musste errichtet und unterhalten werden. Um 1332 begannen sie mit dem Bau. Stein um Stein schichteten sie meterdick zu einer mächtigen Ringmauer übereinander, die sämtliche Herdstellen der kleinen Stadt umschloss.

Ein bescheidenes Landstädtchen
Aber trotz der zugestandenen Stadtrechte blieb Gau-Algesheim durch die Jahrhunderte ein kleiner, vorwiegend landwirtschaftlich geprägter Marktflecken. Für den Heimatforscher Karl Johann Brilmayer offenbarte sich Gau-Algesheim bei seinen Besuchen im Jahre 1883 eher als bescheidenes Landstädtchen, „dass so gar nicht wie eine reiche gewaltige Stadt des Mittelalters wirkt“.1
Verbesserte Verkehrsanbindungen – Bau der Bahnlinie Mainz-Bingen (1859) und Ausbau der Strecke nach Bad Kreuznach (1902) – sorgten ab Mitte des 19. Jahrhunderts für einen wirtschaftlichen Aufschwung, der sich auch in einer Zunahme der Bevölkerung ausdrückte. Die Einwohnerzahl stieg kontinuierlich an: 1.862 Einwohner im Jahre 1830, 2.608 Einwohner 1905. Heute zählt Gau-Algesheim knapp 7.000 Einwohner.

Historisch und sehenswert
Ganz schön feudal könnte man denken, aber „echten“ Adel hat das Gau-Algesheimer Schloss Ardeck nur selten gesehen. Erstmals erwähnt wird das kurmainzische Amts- und Wasserschloß, einst auch als „Moseburg“ bekannt, im Jahre 1112. Im Mittelalter wurde es von Amtmännern bewohnt. Hier befand sich der Amtssitz für den Rheingau, später residierte hier der kurfürstliche Amtskeller. Zeitweise diente es sogar als Aufenthaltsort der Mainzer Kurfürsten. 1803 wurde das Schloss zu großen Teilen niedergelegt. Heute ist es im Besitz der Stadt Gau-Algesheim. 1996 renoviert, beherbergt es das Rheinhessische Fahrradmuseum, den Städtischen Kindergarten und ist vielen Vereinen ein Domizil. Den westlichen Schlossturm ziert ein von Stefan Gassner geschaffenes buntes Glasdach.
Sehenswert ist auch der Marktplatz von Gau-Algesheim. Im Mittelpunkt der Stadt gelegen, besticht er mit historischen Wohnhäusern, der katholischer Pfarrkirche und seinem markanten Rathaus. Das Rathaus ist im Kern ein spätgotischer Bau, dessen im Erdgeschoss gelegene Halle früher offen war. Vermutlich tagte hier das Ortsgericht. Das Rathaus wurde 1631 von schwedischen Soldaten zerstört und erst 1726 unter Kurfürst Lothar Franz von Schönborn wieder aufgebaut. So stellt es sich auch heute noch dar: „Barock überformter massiver Putzbau zu zwei Geschossen, dessen Hauptfassade ein zweizonig gegliederter Schweifgiebel betont, rückwärtig Schildgiebel.“

Feste feiern
Die „Eue“, so nennen sich die Gau-Algesheimer gerne selbst, sind gesellig, lieben Feste und guten Wein. So gibt das ganze Jahr hindurch Festivitäten: Fassenacht, Kerb, Alagastmarkt und das „Fest des jungen Weines“, Hoffeste an den Sommerwochenden, das Kulturprogramm „Kulturelles im Städtchen“und der Weihnachtsmarkt am ersten Advent. Seine Freizeit verbringt der Gau-Algesheimer gerne in einem der 35 ansässigen Vereinen und Verbänden.

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Die Offenheit der Bürger zeigt sich auch in den zahlreichen Städtepartnerschaften. Gau-Algesheim pflegt partnerschaftliche Beziehungen mit dem fränzösischen Saulieu/Côte d’Or, dem italiensichen Caprino Veronese, Redford in Michigan und mit Neudietendorf und Stotternheim in Thüringen. Für seine Partnerschaftspflege zeichnete der Europarat Gau-Algesheim 1994 mit dem Europadiplom und 1995 mit der europäischen Ehrenfahne aus.